Verkehrsentwicklung im österreichischen Schienennetz

Die Marktbeobachtung ist eine der Hauptaufgaben der Schienen-Control. Sie ermöglicht umfassende Analysen des Schienenverkehrsmarktes in Österreich.

Personenverkehr: Neuer Angebotsrekord

Der österreichische Schienenpersonenverkehrsmarkt war nach Jahren stetiger Aufwärtsentwicklung im Jahr 2020 besonders negativ von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen. Zwar wurde durchgehend ein Grundangebot an Mobilität bereitgestellt, allerdings sank die Nachfrage zwischendurch massiv. Nachdem sich die Leistungsindikatoren bereits 2021 wieder gut erholt gezeigt haben, sind sie 2022 noch einmal markant angestiegen.


So wurde das Angebot durch Ausweitungen und Taktverdichtungen bei bestehenden Verbindungen bzw. die Einführung neuer Relationen umfangreich verbessert. Im Fernverkehr wurden der Halbstundentakt der WESTbahn reaktiviert und ausgewählte Züge verlängert (zuerst nach München, später nach Innsbruck). Auch die ÖBB-Personenverkehr verstärkte Verbindungen zwischen den österreichischen Ballungszentren, verlängerte manche Relationen im benachbarten Ausland und führte zudem neue Nachtzugverbindungen (darunter bspw. drei Mal wöchentlich den Nightjet Wien – München – Paris) ein. Im Nahverkehr gab es zahlreiche Verbesserungen in fast allen Bundesländern, wobei hauptsächlich dichtere Zugintervalle und längere Betriebszeiten umgesetzt wurden. Insgesamt sorgten diese Änderungen letztlich für ein Rekordangebot von knapp 128 Millionen Personenzugkilometern im Jahr 2022.


Die Anzahl der Bahnreisenden stieg österreichweit auf 295,2 Millionen Fahrgäste. Das entspricht einem Plus von knapp 35 Prozent gegenüber 2021 (218,7 Millionen). Ausschlaggebend für den Zuwachs waren einerseits das Auslaufen von Maßnahmen gegen die COVID-19 Pandemie und die daraus resultierende Rückkehr zur Präsenz am Arbeitsplatz bzw. in die Schule, andererseits trug wiederbelebten Fernverkehr stark zur Fahrgastzahl bei. Verstärkt wurden diese Effekte durch hohe Treibstoffpreise, die zunehmende Parkraumbewirtschaftung in Ballungsräumen und das gegen Ende 2021 eingeführte österreichweite KlimaTicket.


Die Zahl der Eisenbahnunternehmen in Österreich lag Ende 2022 bei 86. Gegenüber 2021 neu hinzugekommen sind die Güterverkehrsunternehmen boxXpress, Retrack und Tenforty2-Rail (jeweils mit Sitz in Deutschland), Medway Italia und STRABAG BahnLogistik aus Österreich. Im Personenverkehr führt mit RegioJet AT mittlerweile die Österreich-Tochter des tschechischen Anbieters RegioJet die Fernverkehre zwischen Prag und Wien (bzw. selektiv weiter nach Budapest). Die Sicherheitsbescheinigung des tschechischen Güterbeförderers RM Lines wurde hingegen im Sommer 2022 widerrufen.


In Summe waren im Berichtsjahr 65 Unternehmen dazu berechtigt, im ÖBB-Netz Züge zu führen. Vier davon sind Teil des ÖBB-Konzerns, elf weitere befinden sich aufgrund direkter oder indirekter Beteiligungen in der Hand von ausländischen Incumbents (marktbeherrschenden Unternehmen). 39 Unternehmen stehen in Privateigentum (50 Prozent oder mehr Anteile). Die restlichen elf Unternehmen stehen mehrheitlich im Eigentum öffentlicher Institutionen.


Im April 2023 erschien der elfte Marktbericht der Independent Regulators' Group-Rail (IRG-Rail), der sich mit den Gesamtentwicklungen im europäischen Schienenverkehr 2021 befasste. Insgesamt 31 Länder stellten dafür statistische Auswertungen zur Verfügung. Der Bericht untersuchte die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Eisenbahnsektor im zweiten Pandemiejahr. Zusätzlich wurden die wichtigsten staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für die Branche zur Bewältigung der Krisensituation näher beleuchtet.
Die Verkehrsleistung des europäischen Schienenpersonenverkehrs lag 2021 zum einen immer noch 41 Prozent unter jener von 2019, zum anderen aber schon deutlich (plus 15 Prozent) über jener aus dem Jahr 2020. Österreich lag bei den zurückgelegten Zugkilometern pro Person 2021 europaweit auf dem starken dritten Rang hinter der Schweiz und Frankreich.

Schienengüterverkehr: Herausforderndes Marktumfeld

Die Hauptindikatoren des Schienengüterverkehrs zeigten 2022 für das erste Halbjahr noch gute Wachstumsraten, im zweiten Halbjahr sind sie hingegen stagniert. Für das Gesamtjahr 2022 ergibt sich daraus eine gegenläufige Entwicklung der Kennzahlen: Einerseits konnte die Verkehrsleistung (Nettotonnenkilometer, Bruttotonnenkilometer) leicht gesteigert werden, andererseits ist das Aufkommen (beförderte Nettotonnen) etwas zurückgegangen. So zeigten die Marktdaten sowohl bei den gefahrenen Netto- als auch bei den Bruttotonnenkilometern Zuwachsraten von 1,4 bzw. 2,4 Prozent. Bei den beförderten Nettotonnen wurde 2022 hingegen ein Rückgang um 0,8 Prozent verzeichnet. Der Marktanteil der Rail Cargo Austria war dabei abermals rückläufig (60,8 Prozent) – jener der Bahnen in Privateigentum erreichte dagegen mit 24,7 Prozent einen neuen Höchstwert.

Zwar gab es 2022 im Gegensatz zu den Jahren zuvor vergleichsweise wenige Beschränkungen im internationalen Warenverkehr, allerdings machten dem Schienengüterverkehr andere Faktoren zu schaffen. Neben dem Mangel an qualifiziertem Personal hat sich der mittlerweile europaweit ausgeprägte Engpass beim verfügbaren Rollmaterial (der Triebfahrzeuge und Güterwagen gleichermaßen betrifft) weiter verschärft. Auch die vom Krieg in der Ukraine ausgelöste massive Steigerung der Bahnstrompreise ab Ende Februar und der daraus folgende rapide Anstieg des allgemeinen Preisniveaus hat die Eisenbahnunternehmen bzw. den Schienengüterverkehr vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Nicht zuletzt wirkten sich auch umfassende Infrastrukturarbeiten und baustellenbedingte Umleitungen im benachbarten Ausland (insbesondere in Deutschland) auf die Planung und Durchführung von Verkehren aus. Aufgrund all dieser Umstände und der wieder gesunkenen Preise für Mineralöl verstärkte sich im Güterverkehr der Verlagerungsdruck hin zur Straße.

Während die Rail Cargo Austria gegenüber dem Vorjahr rückläufige Werte meldete, verzeichnete die Gruppe der Mitbewerber Zuwächse. Dadurch konnten diese ihre Marktanteile bei allen drei Indikatoren weiter ausbauen und in die Nähe der 40-Prozent-Marke führen. Inzwischen hatten zwölf im Güterverkehr tätige Unternehmen im Jahr 2022 Marktanteile von einem Prozent oder darüber.

Der gesamte Jahresbericht 2022 ist HIER abrufbar.